23. September 2023

Quelle: OZ Alsfeld 21.09.2023

Mit Mofa und Roller auf der Suche

Michael Röhrig aus Storndorf und Matthias Langer aus Kestrich reisen mit 25 km/h in Richtung Süden – warum?

STORNDORF/KESTRICH (mpe). „Hänn-Hänn-Hääänn! Tak-Tak-Tak!“, da kommen sie. Zwei Freaks mitten aus dem Vogelsberg, sie haben es erreicht, das Ortsschild von Bad Herrenalb-Bernbach im Schwarzwald. Michael Röhrig aus Schwalmtal-Storndorf und Matthias Langer aus Feldatal-Kestrich, der eine auf dem harten Sitz einer weit über 40 Jahre alten Kreidler, der andere auf dem etwas bequemeren Sattel einer himmelblauen Vespa. Mit Mofa und Roller auf der Suche nach… Nach was?

Nach dem Glück auf zwei Rädern? Nach Fahrtwind und Freiheit? Nach dem „Bloß weg von Druck und Perfektion“? Nach Ruhe und einem Stück Echtheit? Oder einfach mal klimafreundlich reisen mit 25 km/h und drei Litern Sprit-Öl-Gemisch auf 100 Kilometern? 51 und 58 Jahre alt, ein Bäckermeister mit eigenem Betrieb und ein Steinmetzmeister in Frührente, zwei nicht zuletzt auf der Spur zurück in Richtung eigener Jugendzeit. In der sie unter anderem groß wurden zwischen Mopeds, Motorrädern und Mofas. Gleich ob Großvater oder Vater, diese hatten bereits Benzin und das „Hän-Hän-Häään“ im Blut.

Puh, auf den letzten Metern des steilen Anstiegs zum idyllischen Schwarzwalddorf auf etwa 800 Metern Höhe ging bei der jetzigen Fahrt dem betagten Mofa – geliehen aus Lautertal-Meiches – ein wenig die Puste aus. Was macht man außer Schieben, wenn man seinen Kameraden nicht im Stich lässt? Man holt den säuberlich verpackten Kälberstrick aus dem Rucksack, hilft und zieht den Havarierten die letzten paar Schritte hinauf bis zum Ortsschild. Kurze Pause. Foto. Luft holen und einen urigen Jodler in die Luft schmettern. Geschafft!

Kuriose Begegnungen

Eine nach außen hin etwas verrückte bereits lange Jahre gehegte Idee haben die beiden Fahrer in diesem Spätsommer in die Tat umgesetzt, in zwei Tagen sind sie 370 Kilometer auf ihren auf Langstrecken nicht immer allzu moderaten Fahruntersätzen in den Süden von Deutschland gereist. Eigentlich wollten Michael und Matthias ausschließlich mit Mofas unterwegs sein, jedoch hatten die zunächst eingeplanten und restaurierten Oldies bereits bei einer Probefahrt rund ums Vogelsberger Dorf schon bald keinen Mucks mehr von sich gegeben. Aus diesem Grund hatte man vor Reiseantritt im letzten Moment umsteigen müssen von der Sachs auf die Kreidler Flory, vom Herkules Mofa auf den Vespa-Roller.

Los ging es ohne irgendwelche Apps und ähnlichen Schnick-Schnack, unterwegs war man nach der Straßenkarte aus dem Aral-Atlas 2012. „Hat gut funktioniert“, so das Resümee der beiden Fahrer. Einmal weg von hohem Anspruchsdenken, keine Angst vor dem „Und? Wo warst du denn diesen Sommer?“ Mal nicht denken, was die Leute denken, authentisch bleiben und ohne Ambitionen zu sich selbst kommen. Gelassen früh morgens um sechs ins Röhrchen pusten, das die jungen freundlichen Polizisten nach der Übernachtung in Aschaffenburg unter die Nase hielten. Wobei sich eine Beamtin im Anschluss nach dem „Null-Promille“-Ergebnis recht aufgeschlossen zeigte und mit einem gewissen Schuss Wehmut von ihrem eigenen Mofa erzählte, mit dem sie in ihrer Jugendzeit in Franken unterwegs gewesen war. Wie Matthias und Michael überhaupt oft angesprochen wurden, wie ihnen manchmal sogar mit der einen oder anderen verdeckten Träne von „Motorrad-Mofa-Roller“ Erlebnissen mit Oma oder Opa berichtet wurden.

„So richtig cool“ fanden zwei fröhliche Ladys mittleren Alters diesen Mofa-Ausflug der zwei Vogelsberger – und donnerten nach ihrem kurzen Tank-Stopp mit tiefem Bass-Gebrumm schnurstracks auf ihren Kawasakis davon. Ihre Richtung war Bosnien, das Ziel eine Techno-Party. Ein älterer Herr, der gerade einem Discounter in der Nähe von Bad Herrenalb verließ, sprach die beiden Mofa-Fahrer ebenfalls an. Namentlich nannte er mehrere ehemalige Freunde und Bekannte von ihm aus Kestrich und Storndorf, mit denen er früher Schleppjagden im Vogelsberg geritten war. „Lange vorbei“, verabschiedete er sich, die frischen Brötchen unterm Arm, ohne seinen eigenen Namen genannt zu haben. Vielleicht erinnert sich ja der ein oder andere Leser an ihn.

Wie war er doch vergleichsweise unkompliziert gewesen, dieser Start von Oberhessen in den Schwarzwald. Einfach mal losfahren ohne Vorbestellung von Übernachtung und Hotel. Sich mal einlassen auf den Kurzschlaf mit dem Kopf auf dem Tisch von einem Tankstellen-Bistro, der aufgeschlossenen, netten Pächterin und einigen Gästen spontan ein Gute-Nacht-Ständchen auf dem Akkordeon geben. Letzteres, im Übrigen, wuchtig und unhandlich, wasserdicht verpackt und festgeschnallt auf dem Gepäckträger des Rollers, überstand diese Tour unbeschadet. Schlafen im Schlafsack auf knallhartem Asphalt unter der abgelegenen Brücke. Orte durchfahren, von denen man vorher noch nie etwas gehört hat, Falkengesäß, Finkenbach, Hirschhorn, Waldwimmen.

Mal hier und da einen Stopp einlegen, zum Beispiel, bei einem Steinmetz-Museum mit außergewöhnlichen Skulpturen. Immer wieder einen kurzen Blick werfen auf Plätze, Zäune, Gärten direkt neben der Fahrtroute. Öl nachkippen, die Kupplung reparieren, zufällig auf ein Dorffest stoßen, anhalten für eine Bratwurst mit Brötchen und Ketchup. Schließlich, nach gut 40 Stunden ankommen beim Freund aus der Bundeswehrzeit in den 1980er-Jahren. Einer, der von jeher ziemlich ungläubig guckte, wenn Matthias auf seinen Wunschtraum zu sprechen kam: „Wart‘s nur ab, wir machen das. Eines Tages stehen wir mit dem Mofa vor deiner Tür.“ Sie hatten es gepackt, endlich.

Mit wenig Proviant in den Packtaschen, wenig Wäsche, vor allen Dingen ausstaffiert mit wasserdichten Umhängen und Überhosen. „Geregnet hat es manchmal in Strömen, Ponchos haben uns relativ gut trocken gehalten. Michael in einem roten Umhang sah fast aus wie ein Mönch im Tibet“, lachen die zwei bei ihren gemeinsamen Erinnerungen. Zu denen auch gehört, dass Matthias spontan nach der Ankunft sein Versprechen einlöste und am Bett der schwer erkrankten Mutter seines Freundes ihre Lieblingsstücke auf dem Akkordeon vorspielte.

Im Übrigen trennten sich wie geplant nach diesem Besuch die Wege, Michael Röhrig wurde von Ehefrau Ute mit einer seiner Töchter und Weimaraner „Leo“ „aufgerollt“, die Kreidler-Flory wurde im Kleinbus verstaut. Dieses Mal nicht mit der ganzen Familie im BMW-Gespann R 1150 unterwegs, standen noch einige Tage Wanderurlaub auf dem Plan. Indes: Matthias Langer ließ sich bei seiner Rückkehr in den Vogelsberg noch einmal auf seiner Vespa kräftig den Wind um die Nase wehen.


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