Kerstin Völck
Kerstin Völck , geboren am 27. 05 1970, 40 Jahre


Wann haben Sie die Storndorfer Schule besucht?
1976-1979
Gibt es etwas aus Ihrer Schulzeit, woran Sie sich besonders erinnern?
Ich erinnere mich an den ersten Schultag, den ich als wunderbar empfunden habe. Auch wenn es mir schwerfiel, mich von meinen Eltern zu trennen, so habe ich doch das selbstständige Arbeiten im Klassenraum mit anderen sehr genossen. Der erste Schnupperkurs in das Leben.War eine Person / ein Ereignis besonders prägend für Sie?
Ich erinnere mich an meinen ersten Schulfreund, dem ich nicht von der Seite gewichen bin (Michi Seiler), der mich oft zum Lachen gebracht hat und das Leben nicht so schwer genommen hat wie ich.
Und ich erinnere mich an unseren Lehrer Herrn Wölk. Sein Name war meinem ähnlich und er hatte eine auffallende Präsenz. Er gehörte mit zu den ersten, prägenden Autoritätspersonen in meinem Leben und hat trotz seiner Bestimmtheit und Klarheit, eine warme und herzliche Art, die mir noch heute sehr gut in Erinnerung ist.
Besonders prägend war ein Ereignis vor ein paar Jahren, als ich in einem Zooladen vor einem Hamsterkäfig stand. Ich erstarrte, als ich den kleinen Hamster eifrig und außer Puste in seinem kleinen Laufrad beobachtete. Mir wurde klar, dass ich das selbst in dem Hamsterrad bin. Seitdem ich denken kann, immer am Arbeiten, ohne Pause und Luft zu holen. Mir wurde an diesem Tag klar, dass ich etwas ändern musste. Dieses Erlebnis trägt mich bis heute und mir ist klar, dass wir selbst dafür verantwortlich sind, aus dem Hamsterrad auszusteigen. So habe ich mein Leben in meine Hände genommen und bin im Ausland gelandet.
Wo leben Sie jetzt?
Ich lebe derzeit auf der indonesischen Insel Bali, in Ubud, einem Künstlerort, der für alles Raum lässt, was die Seele braucht.
Können Sie etwas über den Ort / das Land erzählen?
Ich befinde mich derzeit in einem Sabbatjahr (1 Jahr unbezahlter Urlaub), sodass ich die Zeit nutze, um mein Wissen über das Leben zu vertiefen. Da in unserer westlichen Welt Zeit kostbar ist, empfange ich hier die geschenkte Zeit als großes Gut. Das Leben auf Bali in Indonesien ist komplett anders als in unserer Welt. Für mich war es ein Eintauchen in ein Leben voller Dankbarkeit, Freude und Hingabe. Die Religion (Hinduismus) beschäftigt die Menschen täglich. Rituale, Opfergaben und Beten gehören zum alltäglichen Leben hier und der Tempel ist ein Ort der Zusammenkunft und Reflektion. Die Gesichter strahlen und man erkennt schnell, dass unsere westlichen Probleme wie Zeitmangel und Stress hier keinen Platz haben. Zeit ist dehnbar und man findet sich wieder im JETZT, was hier gelebt wird. Man schenkt den Dingen mehr Aufmerksamkeit und die Menschen selbst leben in Hingabe und Dankbarkeit für das, was ihnen gegeben ist. Auch der tägliche Kampf ums Überleben wird als "gegeben von den Göttern" angenommen und akzeptiert.
Aus welchen Gründen leben Sie in diesem Land?
Ich bin durch meine Tätigkeit als Marketingmanagerin viel gereist in meinem Leben, aber nirgendwo konnte ich länger als 4 Wochen in eine Kultur eintauchen. Nirgendwo hatte ich wirklich Zeit, um die Menschen zu sehen und Kulturen zu verstehen. Da ich seit 14 Jahren in Fulda lebe, der Heimat also immer treu geblieben bin, war der Wunsch nun da, einmal über den Tellerrand zu schauen, die Welt zu spüren, um vielleicht auch herauszufinden, was an uns Deutschen "so besonders" oder sagen wir "anders" ist.
Haben Sie das dortige Schulwesen kennengelernt? Worin unterscheidet es sich von dem in Deutschland?
Soweit ich das Beurteilen kann, sind die Schulen hier ähnlich aufgestellt wie bei uns, jedoch sind die Lerninhalte und die Unterrichtsweisen komplett unterschiedlich. Bei meinen morgendlichen Wanderungen durch die Reisfelder halte ich oft an der Schule an, um die in Uniform gekleideten kleinen Menschen zu beobachten, die laut schwatzend umherspringen und bereits am Morgen ihre Münder mit buntem, fast unessbar erscheinendem Süßkram stopfen. Es herrscht Chaos, Lärm und viel Lachen zum allmorgendlichen Aufmarsch. Die Lehrer haben es schwer, die Meute einigermaßen zu kontrollieren. Da Kinder hier einen extrem hohen Stellenwert haben, ist die Autorität nicht wirklich sichtbar und so ist es ein eher gemeinschaftliches Austauschen von Wissen, was hier stattfindet. Die Kosten für eine schulische Bildung sind für einen Balinesen immens hoch, so ist es ein Privileg für jedes Kind, welches eine solche Schule besuchen kann. Nicht jedem ist das gegeben und so gibt es viele Lerngruppen außerhalb der öffentlichen Einrichtung. Auch aus dem Ausland stellen sich viele Menschen dem ehrenamtlichen Arbeiten hier zur Verfügung, um den Kindern möglichst eine gesunde Wissensvermittlung zu ermöglichen. Was hier im Besonderen auffällt, ist, dass den Kindern neben Wissen und Sprache auch noch eine Portion emotionale Stabilität mitgeben wird. Kreativität findet ebenso viel Raum, wie sportliche Ertüchtigung, jede Menge Gesang und Persönlichkeitsentwicklung. Es wäre wunderbar, wenn man auch in der westlichen Welt die Menschen frühzeitig auf das Leben vorbereiten würde und nicht nur mit purem Wissen anreichern würde. Meiner Meinung nach ist hier besonders an deutschen Schulen großer Nachholbedarf.
Was fällt Ihnen sonst noch ein?
Ich wünsche der Storndorfer-Schule alles Gute zum runden Geburtstag. Auf meine Rückkehr in die Heimat freue ich mich sehr und sende viele Grüsse von Bali.
Von Herzen
Kerstin Völck