17. März 2011 - Ev. Kirchengemeinde / Dorfwoche Gruppenpfarramt

Quelle: OZ, Alsfeld

Motto "Zwischen Kopftuch und Karriere"

Religionswissenschaftlerin Naime Cakir informierte in Dorfwoche über die Lebensentwürfe muslimischer Frauen

Naime_Cacir(red). „Zwischen Kopftuch und Karriere“ war das Thema bei der Dorfwoche in Brauerschwend. Dabei informierten sich knapp 70 Interessierte über Lebensentwürfe muslimischer Frauen. Pfarrer Dieter Borschel führte als Moderator durch den Abend. Die musikalische Umrahmung übernahmen der Vokalchor „Eintracht“ sowie der Posaunenchor aus Stumpertenrod, jeweils unter Leitung von Hans Appel.


„Die muslimische Frau gibt es nicht“, begann die Religionswissenschaftlerin Naime Cakir, die als Referentin gewonnen werden konnte, ihre Ausführungen. Vielmehr stelle Religion nur einen Faktor von vielen dar, die den Lebensweg prägen.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und um die Lebensentwürfe dennoch für eine Diskussion greifbar zu machen, stellte Naime Cakir exemplarisch drei Frauentypen vor:

Im ersten Lebensentwurf wird eine gebildete, berufstätige Frau beschrieben, die in die Gesellschaft integriert ist. Freiwillig trägt sie das Kopftuch und hält alle Gebetsregeln ein. Zugleich ist sie davon überzeugt, dass Männer und Frauen zwar unterschiedlich, aber gleichberechtigt sind. Mit ihrer Interpretation des Korans verlässt sie die traditionellen Pfade hin zu einer kontextuellen Auslegung, die Entstehungszeit und Umstände berücksichtigt und eine Aktualisierung der Texte anstrebt.

In einem zweiten Entwurf hat die Kopftuch tragende Frau ihr Wissen über den Koran von Autoritätspersonen aus ihrer Familie. Verbote und Benachteiligung stellt sie nicht infrage, sondern deutet ihr Schicksal als eine Gottesprüfung. Ihre Aufgabe ist die Versorgung der Kinder. Sie hat keinen Beruf. Mit ihren Freundinnen trifft sie sich zum Kochen, Stricken und Beten.

Ein dritter Typus trägt kein Kopftuch, betet unregelmäßig oder gar nicht und hat sich in mehrfacher Hinsicht von der Familientradition abgewandt. Diese Frauen verstehen sich ganz klar als Muslima und sind zugleich davon überzeugt, dass Religion eine Privatsache zwischen Mensch und Gott ist.

Auf die Frage nach einer prozentualen Verbreitung der Typen in Deutschland wollte sich die Referentin nicht auf Zahlen festlegen. „Wie versteht die Frau, was sie im Koran liest, und wie setzt sie es um?“, darauf komme es an, denn je nach Auslegungsart ließen sich alle drei Lebensentwürfe mit Texten aus dem Koran belegen und rechtfertigen, so die Referentin. Der erste Typ sorge in der öffentlichen Debatte besonders häufig für Irritationen, weil in ihm der Spagat zwischen Freiheitsstreben und Familientradition, zwischen Karriere und Kopftuch sichtbar werde. Den eigenen Weg gehen und trotzdem noch dazu gehören, das sei es, was diese Frauen umsetzen wollen.

Rückfragen aus dem Publikum kamen mehrfach zum Kopftuchverbot, gegen das sich Naime Cakir deutlich wandte. Ein solches Verbot greife in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen ein und untergrabe die im deutschen Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit. Cakir plädierte anstelle des Pauschalverbots für eine jeweilige Einzelfallprüfung. Zudem habe die Kopftuchdebatte dazu geführt, dass der Konflikt überwiegend auf dem Rücken der Frauen ausgetragen werde, bedauerte sie. „Über die Bärte der Männer redet seltsamerweise keiner.“

Pfarrer Borschel erinnerte daran, dass noch vor 40 Jahren in christlichen Kirchen Frauen und Männer im Gottesdienst getrennt saßen und auch die Ordination von Frauen eine Errungenschaft des vergangenen Jahrhunderts sei. Cakir räumte ein, dass es zwar weltweit zunehmend liberalisierte muslimische Gruppierungen gebe, dass sich Freiheitsgedanken jedoch stärker unter den Rahmenbedingungen einer Demokratie entwickeln könnten. Abschließend empfahl sie den Anwesenden, mit muslimischen Mitbürgern ins Gespräch zu kommen. „Die Freiheit, die das Grundgesetz garantiert, gilt auch für diejenigen, deren Lebensverständnis wir nicht teilen“, mahnte sie.

Am  Donnerstag, 17. März 2011 wird der islamische Theologe Selcuk Dogruer Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Islam und Christentum beleuchten. Beginn der Veranstaltung ist um 20 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Brauerschwend.

Naime_Cacir

„Wir sind nicht unterdrückt, sondern wir haben in dieser Gesellschaft etwas zu sagen!“ Naime Cakir trug ihre Thesen sehr engagiert vor. Foto: privat


Besucherzähler - VCNT

Seitenzugriffe 0

Heute 96

Gestern 188

Woche 1.250

Monat 812

Insgesamt 14.758

Aktuell sind 118 Gäste und keine Mitglieder online

Kalender

Mai 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
29 30 1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11 12
13 14 15 16 17 18 19
20 21 22 23 24 25 26
27 28 29 30 31 1 2
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.